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    30 April 2012

    Mutter


    (Max Havelaar--Germany, Ullstein, 1997, p.37-42)          

    Mutter, ich bin weit weg vom Land,
    Wo das Leben mir ward eingegossen,
    Wo meine ersten Tranen flossen,
    Wo ich aufwuchs an deiner Hand…
    Wo deiner Mutter True der Seel’,
    Des Knaben ihre Sorgen weihte,
    Und ihm liebreich stand zur Seite,
    Und ihn aufhob, wenn er fiel…

    Scheinbar trennt das Los die Bande,
    Die uns banden, grausam ganz entzwei…
    Ich stehe hier an fremdem Stande,
    Mit mir selbst und Gott allein…
    Aber, Mutter, was mich betrubte,
    Was Freud oder Leid mir gab,
    Mutter, zweifle an der Liebe,
    An des Sohnes Herz doch nicht!

    Es ist noch kaum zwei paar Jahre her,
    Als ich letzt in jenem Land,
    Schweigend an dem Ufer stand,
    Um die Zukunft zu erspahn…
    Als erklang des Schonen Ruf,
    Aus der Zukunft, heirs ersehnt,
    Und ich das Heute stolz verlachte,
    Und mir Paradiese schuf…
    Und trotz Abgrund,
    Der zu meinen Fursen gahnte,
    Das Herz sich traumend selig wahnte…

    Doch die Zeit seit letztem Abschied,
    Wie geschwind uns auch entzogen,
    Ubegreiflich blitzeschnell,
    Wie in Traum vorbeigeflogen…
    Und sie liers im Weiterschreiten,
    Tiefe, tiefe Spuren nach!
    Ich schmeckte Freud und Schmerz zugleich,
    Ich hab gedacht und auch gestritten,
    Ich hab gejauchzt und auch gebetet,
    Mir ist, als flogen die Aonen hin!
    Ich hab nach Lebenskraft gestrebt,
    Ich hab gefunden und verloren,
    Und, ein Kind noch kurz zuvor,
    Jahr in einer Stund erlebt!

    Aber doch Mutter woll’ es glauben,
    Be idem Himmel, der mich sieht,
    Mutter! woll’ es doch glauben,
    Nein, dein Kind vergars dich nie!

    Ich liebte ein Madchen. Mein ganzes Leben
    Schien mir durch die Liebe rein,
    Ich sah in ihr die Ehrenkrone
    Als Endlohn meines Strebens,
    Mir von Gott zumm Ziel gegeben.
    Selig durch den reinen Schatz
    Den seine Sorgen mir zuerkannt,
    Der seine Gunst geschenkt hat,
    Dankte ich ihm mit einer Trane in den Augen,
    Liebe war eins mit Religion…
    Und’s Gemut, das verzuckt
    Dankend sich zum Herrn erhob,
    Dankte und bat fur sie allein!

    Sorge bracht die Lebe,
    Unruh qualte mir mein Herz,
    Unertraglich war der Schmerz,
    Der mein weich Gemut durchschnitt,
    Ich hab nur Angst und Leid versammelt,
    Wo ich hochsten Genurs erwartete,
    Und fur’s Heil, wonach ich strebte,
    Ward mir Gift und Weh zuteil…
    Ich fand Genurs in leidend Schweigen!

    Ich stand standhaft hoffend da,
    Ungluck liers den Preis mir steigen,
    Ich trug und litt so gern fur sie!
    Zahlte weder Schlag noch Schlage,
    Freude zog ich aus Verdrurs,
    Alles, alles, wollt ich tragen…
    Raubt das Los sie mir nur nicht!

    Und das Bild, mir das schonste auf Erden,
    Das ich mittrug im Gemut,
    Als ein unschatzbar Gut,
    Und so treu im Herz bewahtre…
    Fremd nur einmal meinen Sinnen!
    Und bleibt auch die Liebe fest,
    Bis der letzte Atemzug des Lebens,
    Mir in einem bess’ren Vaterland,
    Endlich sie wird wiedergegeben…
    Ich hatte begonnen, sie zu lieben!

    Was ist Minne, die einst began,
    Im Vergleich zu der Liebe mit dem Leben,
    Dem Kind duch Gott ins Herz gegeben,
    Als es noch nicht stammeln konnte?
    Als es an der Mutterbrust,
    Kaum aus dem  Mutterschors gekommen,
    Das erste Nars fand fur den Durst,
    Das erste Licht der Mutteraugen?
    Nein, kein Band, das fester bindet,
    Fester Herzen halt umschlossen,
    Als das Band von Gott geschlossen,
    Zwischen Mutterherz und Kind!
    Und ein Herz, das sich so band,
    An das Schone, das eben strahlte,

    Das mir nicht als Dornen gab,
    Und kein einzig Blumchen flocht…
    Konnte dasselbe Herz die Treu,
    Des Mutterherzens vergessen?
    Und die Liebe einer Frau,
    Die meine ersten Kinderschreie,
    Auffing in besorgt Gemut?
    Die mich, wenn ich weinte, wiegte,
    Tranen von der Wange kurste,
    Die mich genahrt mit ihrem Blut?

    Mutter, woll es niemals glauben,
    Bei dem Himmel, der mich sieht,
    Mutter, woll es niemals glauben,
    Nein, dein Kind vergars dich nie!

    Ich bin hier weit von was das Leben,
    Dort uns Surses und Schones kann geben,
    Und Genurs der fruhen Jahre,
    Oft geruhmt und hoch gepriesen,
    Kann wohl hier mein Teil nicht sein:
    Einsam Herz kennt keine Freude,
    Steil und doring meine Wege,
    Ungluck druckt mich tief hernieder,
    Und die Lastmir aufgeladen,
    Beengt mich, und tut das Herz mie weh…
    Lars nur meine Tranen zeugen,
    Wenn so manche mutlos Stund,
    Mir am Busen der Natur,
    Das Haupt so traurig neigen larst…
    Oft wenn mir der Mut entsank,
    Ist mir der Seufzer fast entflohen:

    “Vater! Gib mir bei den Toten,
    Was das Leben mir nicht bot!
    Vater! Gib an jener Seite,
    Wenn des Todes Mund mich kurs,
    Vater! Gib an jener Seite,
    Was ich hier nicht fand… die Ruh!”

    Doch, ersterbend auf den Lippen,
    Stieg die Bitte nicht zum Herrn…
    Ich fiel auf beide Knie nieder,
    Ich fuhlte wohl, wie mir ein Seufzer entglitt,
    Aber es war: “Noch nicht, oh, Herr!
    Gib mir erst die Mutter wieder!”

    (Max Havelaar, Ullstein, 1997, p.37-42)          
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